Mein heutiger Interview-Gast aus Rostock ist Spezialistin im Bereich der Mikrobiologie. Als gelernte Landwirtin und studierte Tiermedizinerin mit Promovierung kennt sie sowohl die Praxis auf dem Betrieb wie auch die Diagnostik im Labor.
In den 30 Jahren im Mastitislabor in Güstrow und beim Rindergesundheitsdienst in Neubrandenburg wurde Sie als Beraterin für unter anderem schwierige Fälle auf Betriebe geholt. Dadurch bringt Sie einen großen Erfahrungsschatz rund um Mastitiserreger mit. Ich freue mich, dass du hier bist, willkommen Dr. Birgit Schwagerick!
Wir dürfen heute über den Zusammenhang von Liegeboxeneinstreu und Euterentzündungen sprechen. Klebsiellen werden manchmal als Problem im Feststoff genannt.
Kommen Klebsiella-Mastitiden gehäuft in Betrieben mit Güllefeststoff als Einstreu vor?
Ganz klar Nein. Es gibt aber eine internationale Studie (J. Dairy Sci. 102:10213–10234), die verschiedene Einstreuvarianten auf die Keimbelastung untersucht hat. Güllefeststoff schneidet seitens der Keimbelastung nicht gut ab, auch bei Klebsiellen nicht.
In der Studie wurde Güllefeststoff, Sägespäne, Stroh und Sand miteinander verglichen. Sand kommt am besten weg, Gülle hat am meisten lebende Substanz.
Ist die Höhe der Keimbelastung gleichbedeutend mit der Häufigkeit von Euterentzündungen?
In gewisser Weise ja, weil der Güllefeststoff dafür prädestiniert ist, die unerwünschten Keime zu beherbergen. Er kann lebendig in verschiedene Richtungen sein, auch in eine unerwünschte Richtung. Deshalb muss man schon aufpassen und ja, es gibt häufig bei der Nutzung von Güllefeststoff eine Problematik mit Euterentzündungen.
Wie kann ich die Zusammensetzung der Mikroorganismen positiv beeinflussen?
Die Mikrobiologie von Bakterien und auch Schimmelpilzen oder Algen ist davon abhängig, welche Arten in welcher Menge vorkommen und in welchem Zusammenspiel diese Arten agieren. Das Mikrobiom ist ein System, in dem verschiedene Mikroorganismen verschiedene Rollen spielen.
Man kann es sich wie eine Gesellschaft vorstellen. Es gibt Chefs, Könige und Ministerpräsidenten, die das Sagen haben. Dann gibt´s Lobbyisten, die auch Macht haben. Und dann gibt´s eine große Menge an Fußvolk, die machen, was oben gesagt wird. Entscheidend ist also zum Beispiel, wer die Macht in diesem System hat, wer sagt an, was gemacht wird. Danach entscheidet sich, ob das, was getan wird, gut für die Kuh ist, oder vielleicht auch nicht.
Wenn ich hier etwas beeinflussen möchte, muss ich es über die Machthaber klären. Ich muss dann versuchen, die Machtstruktur zu verändern, wenn es für meine Kuh nicht gut ist. Wenn beispielsweise Klebsiellen die Oberhand haben, muss ich begleitet von Diagnostik das Milieu verändern.
Das geht dann physikalisch wie Erhitzung, chemisch über Desinfektionsmittel oder am erfolgsreichsten über schlagkräftige Effektive Mikroorganismen.
Wie gehe ich vor, wenn ich Probleme habe und die Liegeboxen im Verdacht stehen? Nehme ich Proben aus den Liegeboxen?
Grundsätzlich würde ich erstmal darauf schauen, ob es vielleicht irgendwelche Veränderungen im Einstreumaterial gibt. Presst der Separator die Gülle nicht mehr trocken genug aus? Dann muss ich sehen, dass es wieder trocken wird. Ist es im Haufen ungewöhnlich heiß, sollte ich darüber nachdenken, ob ich etwas neues wie Stroh dazu gemischt habe. Eine Veränderung sollte ich dann wieder zurück drehen.
Weiter muss ich unbedingt auf die Fütterung achten. Könnte es sein, dass die Verdauung nicht ganz so gut funktioniert? Gibt es einen Leistungsverlust bei einigen Tieren? Haben Einzelkühe Durchfall? Ist der Kot nicht so gut verdaut? Alle Punkte sind Hinweise darauf, dass sich die Gülle verändert. Ein Silo mit B-Qualität kann ein großes Problem sein.
Wenn ich bisher nichts Eindeutiges gefunden habe, kommt die Probe aus der Liegebox. Im Euterbereich sollte ich bei 10 – 15 Liegeboxen einen Esslöffel voll in eine Plastiktüte packen, möglichst luftdicht verschließen und beispielsweise zu Miprolab schicken. Beauftragt wird eine Kot-Einstreu-Futteruntersuchung. Danach weiß ich genau, welche Mikroorganismen hier arbeiten.
So erziele ich Wissen: Die einen bekomme ich, indem ich etwas trocken mache, andere, indem ich ein Steinmehl dazu streue, weitere über Konkurrenzbakterien etc.
Man kann regelmäßige Viertelgemelksproben von Kühen mit erhöhter Zellzahl nehmen, um ein Bild über die Erreger im Euter zu haben. Wie stehst du dazu?
Grundsätzlich kann man Wissen nur bekommen, wenn man was untersucht. Von Kühen mit einer akuten Mastitis würde ich auf jeden Fall eine Probe einschicken. Wenn kein Viertel auffällig ist, macht eine Untersuchung wenig Sinn. KNS (Einfache Staphylokokken, nicht S. aureus) kommt beispielsweise gerne dabei heraus. Es ist dann immer die Frage, ob es wirklich ein Mastitiserreger ist oder einfach nur die Strichkanalbesiedlung, die da hingehört. KNS ist eine große Gruppe, da müsste man genauer untersuchen. Wenn man Kühe einfach mit erhöhter Zellzahl untersucht, hat man oft keinen Befund oder KNS, was eigentlich auch keinem Befund gleich kommt.
Wie kommt man dann drauf, ob beispielsweise meine Liegeboxen ein Problem darstellen oder nicht?
Man müsste klären, ob der KNS wirklich ein Mastitiserreger ist oder die Kuh vielleicht einfach nur in einer Entzündungsreaktion verharrt. Es kann der ganze Organismus reagieren, weil die Kuh durch die Verdauung zu viele Endotoxine im Darm hat. Endotoxine sind die Zellwandbestandteile von gramnegativen Bakterien wie E.Coli oder Klebsiellen. Diese entstehen gerne, wenn das Futter unzureichend im Pansen verdaut wird. Zu viel Durchflussprotein und -stärke führen zu stärkerem Wachstum von E.Coli und wenn viele wachsen, sterben auch viele. Die Zellwandbestandteile sind extrem entzündungsauslösend. Eine allgemeine Entzündungsreaktion führt dann dazu, dass viele weiße Blutkörperchen ins Rennen geschickt werden. Diese gehen auch ins Euter, haben aber mit einer Mastitis nichts zu tun. Man wundert sich dann, dass schon wieder kein Befund oder KNS rauskommt.
Sollte dann in meiner Betrachtung des Liegeboxenmanagements das Hauptaugenmerk auf akute Mastitsfälle sein?
Wenn ich gehäuft akute Mastitisfälle mit Flocken und Schwellungen am Euter habe, geht es nicht um eine allgemeine Entzündungsreaktion sondern wirklich um: Ein Keim im Euter macht die Entzündung! Dann haben wir in der Regel auch einen plausibel verwertbaren Befund im Labor. Wenn beispielsweise vermehrt S. uberis gefunden wird, würde ich abgesehen von der Fütterung auch wirklich auf die Einstreu schauen. Es kann dann in einer Untersuchung der Einstreu S. uberis als Leitkeim vorkommen.
Am Anfang steht meistens ein Fütterungsproblem. Durch die folgende Mangelverdauung können sich Uberis und E.coli im Darm sehr stark vermehren. Dazu kommt vielleicht ein durch Selbsterhitzung fast pasteurisiertes Substrat in die Liegebox und die Kuh nimmt mit dem Kot der Laufflächen E.coli und Uberis mit in die Liegebox, die sich dort gut vermehren können. Dann kommt der Strich einer angeschlagenen Kuh in die Fläche und beim nächsten Melken wird der Uberis in den Strich gedrückt. Dann geht die Entzündung los.
Man könnte denken, mit Güllefeststoff als Einstreu sind Euterentzündungen vorprogrammiert. Trotzdem funktioniert das System bei vielen Betrieben. Was sind die Vorteile von Güllefeststoff als Einstreu?
Es funktioniert hervorragend, wenn die Kuh gesund ist und einen nicht zu nährstoffreichen Kot hinten raus bringt. Der kommt dann abgepresst wieder in die Liegebox. Das Separat hat den höchsten Liegekomfort. Man kann noch über Sand diskutieren, ist aber aus bekannten Gründen nicht sinnvoll.
Vergleichen wir Separat mit anderen gängigen Einstreumaterialien, ist es das am meisten gelenkschonende Material für die Kuh. Es hat auch einen wirtschaftlichen Vorteil, dass ich kein Stroh von außen zukaufen muss. Es gibt chemisch oder physikalisch nichts dagegen zu sagen. Das Separat zeigt relativ schnell einen Fehler im System an. Es gehört zum System.
Wie trocken soll der Feststoff ausgepresst werden?
Es geben die Maschinen vor. Man weiß bei einer Mais- oder Grassilage passende TS-Gehalte. Wenn eine starke Hand einen Ballen auspressen möchte, darf da nichts mehr rauslaufen. So kennt man es auch bei Silagen. Man ist da bei ungefähr 30 % Trockenmasse.
Man sollte häufig kleinere Mengen nachstreuen. Was ist dir dabei wichtig?
Auch in einem gesunden System ist Feststoff ein nährstoffreiches Material, weil hochleistende Kühe auch mehr Energie im Kot haben. Was passiert, wenn man einen toten, feuchten Fisch an einen warmen Ort legt? Es dauert nicht lange und er ist offensichtlich mikrobiologisch verändert. Das passiert mit dem Separat auch. Wenn es auch nur 2 Stunden im Haufen liegt, wird von den Mikroorganismen ordentlich gearbeitet. Grundsätzlich brauchen alle Mikroorganismen Feuchtigkeit, um zu arbeiten. Je trockener es ist, desto geringer ist das Wachstum. Wir können also einfach schnell nach dem Separieren einstreuen.
In dem Moment, in dem man dünne Schichten drauf legt, beginnt sofort die Abtrocknung. Damit geht den Mikroorganismen das Wasser aus. Die Arbeit wird damit eingestellt. Sporenbildner sind zwar noch da, alles andere aber wird schnell weggetrocknet.
Ein klassischer Fehler bei einer Neubefüllung ist unten Pferdemist und drüber 5 – 10 cm Separat. Die Mischung wird ordentlich heiß und dampft. Das ist das Problem. Man sollte es frisch verwenden und in dünnen Schichten auftragen. Mit Separat muss man umgehen wie mit einem frischen Fisch. Wenn er schnell gedörrt wird, ist er lange haltbar.
Man muss bei der Liegeboxenpflege darauf achten, feuchte Stellen wegen Harn und Kot rauszunehmen. Warum?
Man legt dann quasi den gedörrten Fisch in Brühe ein und die Mikroorganismen fangen wieder richtig an. Das A & O ist trocken halten. Deswegen hacken viele täglich. Es ist zwar aufwändig in der Arbeit, lohnt sich aber.
Wir haben einen Liegeboxenrechen für den Bobcat gebaut, mit dem wir jede Mahlzeit durch fahren. So funktioniert das Einebnen und die Abtrocknung recht gut.
So was braucht man, man muss es etwas mechanisieren. Dann geht´s leichter, die Matratze trocken zu halten.
Was kann ich machen, wenn ich Mikroorganismen positiv beeinflussen möchte?
Wenn man dummerweise zu viel Feuchtigkeit drin hat und nach einer Untersuchung beispielsweise viel zu viel E.coli, Uberis und Klebsiellen drin sind, ist es erstmal eine ungute Mischung. Dann muss ich schnell was tun. Man kann ja meistens nicht alle Liegeboxen ausräumen, deshalb braucht man eine Feuerwehr. Da kann mit Konkurrenzorganismen, bekannt als Effektive Mikroorganismen, dagegen wirken. Verkauft werden diese beispielsweise von Emiko.
Mit einer Gießkanne kann man die Fläche einmal beregnen. Das ist zwar zuerst auch etwas feucht, aber auch diese Mikroorganismen brauchen erstmal Feuchtigkeit. Da sind verschiedenste Mikroorganismen, beispielsweise Milchsäurebakterien drin. Wir schicken damit eine Armee los. Es muss also eine ordentliche Menge und eine gute Zusammensetzung sein.
Würdest du Effektive Mikroorganismen vor chemischen oder anderen Mitteln vorziehen?
Die wirksamste Maßnahme ist meistens das Auflockern und abtrocknen lassen. Aber davon abgesehen hat sich gezeigt, dass beispielsweise hohe pH-Werte durch Kalk erst wirklich was bringen, wenn auch die Striche angegriffen werden. Kalk hat ansonsten eine trocknende Wirkung, da ist er auch berechtigt. Gesteinsmehl bringt für Mikroorganismen ein Zuhause. Schlagkräftig ist der direkte Einsatz von Effektiven Mikroorganismen.
Einen Kreislauf schafft man, wenn man effektive Mikroorganismen füttert. Damit unterstützt man den Pansen und Darm. Gleichzeitig ist der Kot mit wertvollen Mikroorganismen besetzt, der über den Separator danach in die Liegeboxen kommt.
Der zweite Teil vom Interview über Stroh als Einstreu in der Liegebox erscheint schon bald.
Kontakt zu Dr. Birgit Schwagerick:
0171 8179607
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