In diesem ersten Teil vom Interview geht es um mehrhäusiges Stallbauen. Wir klären ab, was man unter diesem System versteht, welche Kosten man damit sparen kann und wie es sich bei Wind und Wetter verhält.
Mein heutiger Gast leitet die Arbeitsgruppe für Landwirtschaftliches Bauwesen in der Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern.
Die Arbeitsthemen umfassen unter anderem die Entwicklung von kostengünstigen Baulösungen und alternativen Baukonzepten für Stallgebäude. Auch die Ermittlung von Baukosten gehört dazu. Im Rahmen der angewandten Forschung beschäftigt er sich in der Entwicklung von Stallkonzepten. Seit 20 Jahren arbeitet er und sein Team an mehrhäusigen Ställen als günstige und praktische Alternative zum klassischen einhäusigen Stallgebäude. Ich freue mich, dass Sie hier sind, Willkommen Jochen Simon!
Wie hoch ist der Kostenvorteil durch mehrhäusige Bauweise?
Wir haben schon vor 20 Jahren begonnen, vorhandene Bauweisen zu untersuchen und auf dieser Basis Stallmodelle entwickelt. Wir haben die verschiedenen Konzepte wie eingespannte Stützen, freitragende Hallen und auch aufkommende Folienhallen unter standardisierten Bedingungen verglichen und entsprechende Modelle entwickelt. Daraufhin haben wir Angebote für verschiedene Varianten eingeholt und sind auf einen Kostenvorteil durch mehrhäusige Bauweise in Höhe von rund 25 % gekommen.
Aus dieser theoretischen Erkenntnis sind Pilotprojekte in Bayern entstanden. Dort konnten wir auch den Kostenvorteil bestätigen.
Die letzte größere Erhebung im Rahmen eines Demostalles auf dem Zentral-Landwirtschaftsfest 2016 (Ankunft der Tiere im Video) inklusive Melktechnik und allem drum und dran ergab Kosten für die mehrhäusige Bauweise in Höhe von 10.000 € im Vergleich zu 12.500 € netto je Kuhplatz bei einhäusiger Bauweise. Zwischenzeitlich sind die Preise deutlich gestiegen.
Sind in den 25 % Preisunterschied zwischen mehrhäusiger und einhäusiger Bauweise alle notwendigen Kosten abgedeckt?
Es gab eine große Erhebung 2005 und dann wieder 2016. 2005 ging es nur um die Gebäudehülle mit Unterbau und dem Ergebnis von 25 % Einsparung. 2016 haben wir dann den Stall komplettiert. Dort ist nur die Futter- und Güllelagerung nicht dabei. Ansonsten ist es der schlüsselfertige Stall ohne Effekte wie Verhandlungsgeschick, eigenes Holz, Eigenleistung etc.
Was bedeutet Mehrhäusige Bauweise und wo liegt der Unterschied zum einhäusigen Stall?
Mehrhäusig bedeutet bei uns, dass die drei Fuktionen Liegen – Fressen – Laufen in Teilbaukörpern errichtet werden. Es sind also die Liegeboxen unter einem Dach und der Futtertisch ist unter einem Dach.
Sind die Fundamente damit günstiger oder teurer?
Im Vergleich 2006 haben wir die Kosten inklusive Unterbau ausführlich verglichen. Der Unterbau unterscheidet sich kaum von einhäusigen Varianten. Die Kostenvorteile entstehen aus geringerer Gebäudehöhe und geringerem Aufwand aus dem Tragwerk vom Dach. Wir haben in der Konstruktion das Pultdach gewählt. Es ist ein sehr einfaches Tragwerk. Ein Satteldach hat viel mehr Knoten und mehr Einzelteile und wäre dadurch teurer. Es sind also einzelne Pultdächer und Satteldachartig zueinander gestellt.
Ein großes Thema sind Witterungseinflüsse. Wie ist die Funktionalität im Winter bei Schneeeintrag?
Vor 20 Jahren hat mir ein älterer Kollege den Hinweis gegeben: “Wenn du weiter mehrhäusig bauen willst musst du darauf achten, dass du keine Satteldächer nimmst.” Am Anfang wurde mehrhäusig mit Satteldächern gebaut. Im Winter treibt es den Schnee bei Dachneigungen von über 15° dann förmlich in den Stall. Aus diesem Wissen ist dann das Konzept entstanden, mehrere Pultdächer Satteldachartig zueinander zustellen. Hier treibt es dann den Schnee eher drüber. Alles was von oben senkrecht kommt, fällt natürlich rein, sobald ein Wind geht treibt es ihn drüber.
Mit Videoaufnahmen konnten wir feststellen, dass der wenige Schnee kaum Probleme macht. Wichtig ist, dass der Schieber in einer höheren Frequenz fährt, sodass er nicht einfriert.
Vor 5 Jahren waren wir im Windkanal, um verschiedene Dachvarianten zu untersuchen. Dort konnten wir verschiedene Strömungsverhältnisse mit Druck- und Sogverhältnissen feststellen. Druck ist der Wind in den Stall durch den geöffneten Dachbereich. In flachen zueinander geneigten Dächern konnten wir geringe Druckverhältnisse feststellen. Dadurch haben wir auch den Nachweis, warum es bei Satteldächern zu erhöhten Schneeeinträgen kommt.
Durch das geöffnete Dach ist es im Stall immer genauso kalt wie außen. Man kann nichts etwas wärmer halten. Wie ist hier die Erfahrung der Landwirte?
Wir begleiten Pilotbetriebe und stehen über Jahre mit den Betriebsleitern in Kontakt. Wichtig ist, dass der Schieber öfter fährt. Wir haben noch keinen Exaktvergleich gegenübergestellt. Es sind vielleicht gar nicht die großen Unterschiede feststellbar, sobald ich einen Luftaustausch zulasse.
Entsteht Zugluft oder abfallende Kaltströme durch die Öffnung?
Hier ist mir nichts bekannt. Exakt erfassen ist schwierig. Diese Verhältnisse kann man eher im Windkanal prüfen.
Wie funktioniert die Öffnung bei Wind oder Stürmen mit starkem Regen?
Der Regen, vor allem im Gebäudenahbereich ist ein großes Thema. Es kann auch zu Verwirbelungen im Vordachbereich kommen. Die Windkanaluntersuchung kam aus der Feststellung, es kann passieren dass es einen Schlagregen gibt. Für den Einfallwinkel gibt es eine Norm aus dem Holzbau. Ich hab einen Einfallswinkel in der Norm von 60°. Dies sind Windverhältnisse wie sie in Norddeutschland an der Küste bei Starkwind herrschen. Nun können wir auf dem Plan die 60° Einfallswinkel einzeichnen und das Vordach zur Gebäudehöhe so gestalten, dass kein Regen in die Liegeboxen fällt. Seitlich ist der Stall durch Curtains geschützt.
Es ist eine alte Denkweise, dass viel Gebäudevolumen mich vor Hitze schützt?
Die Gebäudeausrichtung spielt auch eine Rolle. Idealerweise ist der First in Nord-Süd-Richtung gebaut. Dadurch wird der Stall seitlich angeströmt. Falls der First in West-Ost steht, kann man von 60° Einfallswinkel auf 68° reduzieren.
Im Zweiten Teil vom Interview erfährst du, welche Herausforderungen wir in diesem System im Sommer haben. Außerdem geht´s um Abmessungen von Laufgängen und dem Auslauf in Zunft. Wir schauen uns auch Erweiterungsmöglichkeiten an und Herr Simon stellt sich der Kritik der unpraktischen Nachnutzung von mehrhäusigen Stallgebäuden.
Ein Kommentar zu „KSB 086 Mehrhäusiger Stall – 25 % Kosten sparen – Interview Teil 1 mit Jochen Simon LfL Bayern“